Geschichten
„Was macht die Katze in einer Fabrik?“ fragte Aristoteles Piaton. Darauf sagte Piaton: „Es gibt überhaupt keine Katze in dieser Fabrik, es gibt nicht mal eine Fabrik – was du für Katze und Fabrik hälst, sind Spiegelungen deiner Auffassung von der Idee, die lange vor deren Erscheinung da war … du bist nicht wirklich, und auch ich bin nicht wirklich.“
Xavier Régis Delerue
Vor soviel Weisheit schwiegen sie alle … Trotzdem male ich gern Katzen, die in einer Fabrik tanzen.
… Für den Maler Xavier Regis Delerue, dessen jüngste Ausstellung mit dem Titel „Tresor“ am Donnerstagabend im Hotel Steigenberger eröffnet wurde, gibt es kein größeres Lob als dieses, das er immer wieder von den Käufern seiner Bilder hört: „Wenn mein Haus brennt, werde ich zuerst die Bilder retten.“ Delerue macht sich einen Spaß daraus, die Gesichter von Gesprächspartnern zu beobachten, wenn er die Frage nach dem Preis so beantwortet: „Pro Quadratmeter 5.000 Mark.“ Und er hat auch prominente Kunstsammler unter seinen Kunden. „Erich Böhme hat sich in eines meiner Bilder verliebt, kam zweimal schauen und kaufte es beim dritten Besuch.“ Und der Entertainer Michael Schanze rief ein Jahr, nachdem er ein Bild bei einer kleinen Ausstellung in einem Restaurant hängen sah, den Maler an. „Er konnte das Bild bis ins Detail beschreiben und war sehr froh, dass es noch nicht verkauft war.“ Die Sängerin Gerlinde Kempendorff mag Maler wie Xavier Regis Delerue nicht anschwindeln, indem sie für den Fall des Brandes die Rettung der Bilder verspricht. „Meine Eltern mussten 1945 aus Ostpreußen flüchten und haben mir beigebracht, dass nichts wichtiger ist, als die Rettung behördlicher Dokumente, mit denen man seine eigene Existenz nachweisen kann. Also stehen zu Hause fünf Ordner für den Fall der Fälle bereit.“ Im Getümmel der Vernissage: Sängerin Angelika Mann, Dr. Jürgen Lange (Chef des Zoo-Aquariums).
Andreas Kurtz, Berliner Zeitung, 10.03.2001
Ein Maler – von Gott gelenkt
Der Torero hat gesiegt. Der Stier ist tot. Aber man sieht ihn nicht. Nur eine Kreidelinie zeichnet die Umrisse seines Körpers auf dem Boden nach. So, als sei er einem Mord zum Opfer gefallen. Und der Torero? Er freut sich nicht. Nachdenklich steht er da, den Blick auf die Stelle gerichtet, wo das Tier durch seinen Degenstoß starb. „Der Torero ist Gott“, erklärt Xavier Delerue. „Der Stier ist der Mensch.“
Er muss es wissen. Er hat diese Szenerie erschaffen. In seinem Schöneberger Atelier verewigte er seine Philosophie der Welten Lauf in Öl: „Der Mensch rennt los, einer Idee hinterher, wie der Stier dem Tuch. Er will zum Beispiel nur weg, denkt, dann wird alles gut.“
Auch Xavier Delerue, der zwischen halb fertigen Bildern von halb angezogenen Frauen steht, hat das mal gedacht, als er sein Heimatstädtchen Troyes östlich von Paris verließ, wo es ihm nach dem Kunststudium zu eng wurde. Er ging nach Afrika, lebte im Sudan, in Kamerun, im Kongo. „Aber eines Tages, zieht der Torero das Tuch weg“, erklärt der Katholik Delerue. „Dann lenkt Gott in eine neue Richtung.“ Nach einem Jahr kehrte er heim, auf Dauer wollte er nicht in Entwicklungsländern bleiben. In Troyes aber auch nicht. „Ich schaute die Karte an, sah, dass Berlin eine Insel ist und nicht an der innerdeutschen Grenze liegt, wie ich dachte.“ Das machte den Maler neugierig. Er muss das sehen, dachte er. Das war 1976. „Als ich da war, fühlte ich mich gleich zu Hause.“ Er, der Franzose, der niemanden kannte, bekam am ersten Tag in der Charlottenburger Kneipe „Kastanie“ von jemandem ein Zimmer angeboten, tags darauf einen Job als Kellner. „Die Leute waren so frei, sie tranken Bier in Kneipen, an deren Wänden Che-Guevara-Bilder hingen, und hörten so moderne Musik, wie es sie bei uns zu Hause nur in einer Disko gab.“ Xavier Delerue hatte den Eindruck, dass die Berliner froh waren, dass „neues Blut“ in ihre Stadt kam.
Dreihundert Jahre früher sprach schon mal einer von neuem Blut, als er Franzosen meinte – der Große Kurfürst von Brandenburg, Friedrich Wilhelm. Er lud 1685 die in Frankreich von der Verfolgung bedrohten Protestanten ein, in die vom 30-jährigen Krieg sehr mitgenommene Region zu kommen. So viele Franzosen wie damals kamen, sind seither nicht mehr hierher gezogen. Heute wohnen 10.600 Franzosen in der Stadt, wer noch kommt, zieht hierher, weil er Job oder Liebste gefunden hat, weil er studiert oder „einfach so“ – wie Delerue. Der Maler hat die innere Freiheit im ummauerten West-Berlin genossen: „Das war nicht so steif wie in Frankreich. Jeder redete mit jedem.“
Xavier Delerue fand einen Job bei einem Bilderrahmenladen: „Als ich sah, was sich die Leute rahmen lassen, wusste ich, man kann alles malen, man muss es nur richtig vermarkten.“ Nach ein paar Jahren hatte er das im Griff, er kellnerte nicht mehr, sondern stellte in Gaststätten seine Werke aus. Im Restaurant Berlin-Sankt Moritz zeigt er noch heute in einer Dauerausstellung Stillleben oder Frauen, die als Exhibitionistin posieren. Gern isst Xavier Delerue auch in diesem Schöneberger Lokal, wo seine Bilder für 500 bis 2.500 Euro angeboten werden. Statt in die Karte zu schauen, fragt er lieber, was zu empfehlen ist. „Das ist besser, sonst isst man immer das gleiche.“
Er ist einer, der vertraut – im Leben auf Gott, im Restaurant auf den Kellner. So lebt es sich gelassener. „Wir Franzosen sind schockiert, wenn wir sehen, dass Berliner im Stehen Pommes Frites essen oder Kebab“, sagt er. „Man kann ja Kebab essen“, räumt er ein, „aber man muss sich doch hinsetzen dazu.“ Und einmal am Tag muss man richtig essen – Vorspeise, Hauptspeise, Nachspeise und Käse. Das meint Xavier Delerue, dem man das Faible fürs Speisen nicht ansieht, ernst.
An Berlin schätzt er die Museen. Vor allem das Brücke Museum. Dort ließ er sich von den Expressionisten inspirieren, die kräftigen Farben hat er beibehalten, obwohl seine Werke klassischer wurden. Schon in den 80er Jahren genügte ihm das Malen – mal um zu überleben und mal um zu leben“, wie er sagt. Es schien damals, als änderte sich nicht mehr viel in seinem Leben. Es hätte so weitergehen können. Doch kurz vor der Wende machte sozusagen der Torero eine Bewegung zur Seite. Gott ließ Xavier Delerue die gerade Bahn sehen, auf der er unterwegs war, und er erkannte den Alltagstrott. „Ich dachte, da muss ich raus.“ Er war schon wieder in Paris, „auf dem Sprung“ in eine neue Stadt, als in seiner alten die Mauer fiel. Da kehrte er um, abrupt, wie der Stier in der Arena – nun wusste er, „da passiert jetzt was, endlich“. „Deutschland finde ich toll“ Xavier Delerue kam zurück. „Ich war gespannt auf die Synthese von Ost und West, aber dann übernahm der Westen die DDR wie eine Kolonie.“ Inzwischen hat er Hoffnung, dass ein Teil seines Wunsches, Ost und West mögen voneinander lernen, Wirklichkeit wird: „Ich freu mich, dass Merkel aus dem Osten was zu Sagen hat.“ Dass aber der Palast der Republik abgerissen wird, das findet er nicht gut: „Damit radiert Berlin seine Geschichte aus.“ Die Deutschen seien, was ihr Verhältnis zu Geschichte und Nation angeht, sowieso ein bisschen komisch. Keiner sei stolz, Deutscher zu sein. „Das werde ich nie verstehen. Dabei definiert sich Deutschland doch nicht nur durchs Dritte Reich“, sagt der Franzose und fügt an: „Deutschland finde ich toll!“ Er wiederholt den Satz gern – vor allem, wenn er gefragt wird, warum er hier sei. „Die Leute glauben, Ausländer kommen wegen des Geldes oder wegen der Frauen.“ Das stimme nicht. Aber warum ist Deutschland denn nun so toll? Xavier Delerue stutzt, nippt am spanischen Rueda Verdejo, den der Sommelier empfohlen hat, und zählt auf: Berliner seien ehrlich, „es dauert lange, bis einer ja sagt, aber wenn, dann heißt das auch ja.“ Es gebe verlässliche Gesetze: „Wer hier über Rot fährt, weiß was ihn erwartet – in Frankreich hängt die Strafe auch davon ab, ob ein hübsches Mädchen am Steuer sitzt.“ Und es gebe Pünktlichkeit: „Hier zu kochen ist prima. Lädt man um acht ein, sind die Gäste spätestens zehn Minuten später da.“ Diese nüchterne Mentalität mag Delerue: „Was den Franzosen die Ehre, ist den Deutschen die Kartoffel.“ Während sich ein Franzose verschulden würde, um seine Freundin ins teuerste Restaurant einzuladen, könne man hier auch Pellkartoffeln kochen. Wenn Merkel von Chirac empfangen wird oder französische Geschäftsleute deutsche Partner einladen, „gibt es Wein für 300 Euro die Flasche“, erzählt Delerue. „Die Deutschen denken, entweder werfen Franzosen das Geld raus oder sie wollen bestechen.“ Umgekehrt aber glaubten Franzosen, wenn sie in Berlin eingeladen werden, dass sie an Geizkragen geraten seien oder nicht gemocht würden. Trotzdem ist für ihn das Leben mit deutschen und französischen Eigenheiten wie ein Leben im „schönsten Land der Welt“. Diese Sicht mag mit persönlichen Erfahrungen zu tun haben.
Bleibt man beim Bild des Stierkampfs, so sorgte der Torero eines Tages erneut für eine Richtungsänderung. Der Maler fand die Frau fürs Leben. Eine Deutsche, eine erfolgreiche Rechtsanwältin, sie heirateten 2000 und wurden Eltern. Eine weitere Richtungsänderung ist nicht in Sicht. „Ich bin ein Berliner“, sagt Xavier Delerue, „meine Familie ist hier, hier bleibe ich.“ Er wird weiter attraktive Frauen malen, weil man „fürs Gute und nicht gegen das Böse kämpfen soll“. Ab und an aber werden seine Werke, bei denen auch ein Katzenkopf auf einem Frauenkörper sitzen darf, nicht verstanden. „Für Franzosen sind meine Bilder manchmal zu brutal, für Deutsche manchmal zu süß, zu nett – aber ich versuche eine Brücke zu schlagen zwischen den Welten“, sagt Xavier Delerue. Wenn er älter ist, würde er gern im Winter im Süden leben. Er hetzt nicht mehr wie ein Stier einem Ziel entgegen, und doch weiß der Künstler, der 52 Jahre alt ist, dass Gott eines Tages vor ihm stehen wird, wie der Torero auf dem Bild. „Er ist nicht glücklich nachdem er das Leben eines Menschen beendet hat, der diesem und jenem Ziel hinterhereilte und am Ende – egal was er erreichte – doch sterben musste“, erklärt Delerue. Deshalb steht der Torero nachdenklich da. „So als fragte er sich:. Und was jetzt?“
Peter Brock, Berliner Zeitung, 6.5.2006
On ne doit pas être beaucoup à vivre exclusivement de la peinture à Berlin…
Xavier Delerue est un peintre classique français en plein cœur de la modernité berlinoise. L’effervescence artistique de la capitale allemande n’émeut pas plus que cela cet homme âgé de soixante ans. L’acrylique et le minimalisme ? Très peu pour ce peintre à l’huile, grand admirateur de Rembrandt et Rubens. “Ce qui se fait aujourd’hui dans l’art me donne envie d’être encore plus classique”, dit-il. Mais soucieux de ne pas passer pour un réactionnaire, il ajoute : “Disons plutôt que ce n’est pas mon truc. C’est un peu comme quand on est invité à diner chez quelqu’un et que l’on reçoit dans l’assiette quelque chose qui ne nous convient pas : on ne va pas dire que c’est bon, mais on ne va pas dire non plus dire que c’est mauvais !”
Arrivé à Berlin en 1978 – “j’avais été fascinée par le plan de cette ville traversée et entourée d’un mur” –, Xavier Delerue n’a alors pas grand chose dans ses bagages, sinon un chevalet et une solide formation classique effectuée aux Beaux-arts à Troyes. Il ne parle pas allemand, ne connait personne dans la ville, mais il possède en lui un atout inestimable : il sait ce qu’il se veut. “J’ai toujours voulu vivre de ma peinture. Je savais que cela était possible, mais qu’il fallait être parmi les meilleurs. Un professeur des Beaux-arts nous disait souvent que celui qui réussit, c’est celui qui a une idée. Une seule idée.”Le succès des Gourmandises…
Fidèle à ce précepte, il commence par réaliser des portraits de passants à l’Europa-Center : “Cela marchait bien financièrement avec parfois une dizaine de ventes à 30 euros en une journée.” Puis peu à peu le peintre a ressenti le besoin de développer une peinture plus personnelle. Une alternance entre commandes extérieures et réalisations individuelles qu’il respecte encore aujourd’hui, selon des proportions variables. “Ce tableau que tu vois là-bas”, me dit-il en me montrant Les gourmandises, posé non loin de là sur une étagère de l’atelier, “c’est la quatrième fois que je le fais”, observe-t-il à peine las. Une lassitude vite oubliée pour ne retenir qu’une seule chose : la chance. Celle de vivre exclusivement de sa peinture. “On ne doit pas être beaucoup dans ce cas à Berlin. Une dizaine peut-être ?”
“Les Gourmandises” posé sur le chevalet de l’artiste dans son atelier.
Ses clients viennent principalement d’Allemagne et trois restaurants berlinois – Altes Zollhaus (Kreuzberg), Osteria Maria (Dahlem) et Brenner (Schöneberg) – exposent ses œuvres à l’année. “C’est très agréable, mais aussi rentable, d’être montré dans de tels lieux. A l’inverse d’une galerie, les gens sont bien installés : ils ont le temps, ils mangent, ils boivent et regardent aussi les murs. Puis peut-être vont-ils revenir, demander la même place et ainsi développer de l’intérêt pour mes peintures. Puis prendre contact avec moi…”, décrit l’artiste, qui réalise une trentaine d’œuvres par année, parmi lesquelles un bon nombre de portraits commandés.L’exposition dans un bordel berlinois…
Comme le laissent percevoir les nombreuses créatures lascivement couchées sur ses peintures, la grande passion de Xavier Delerue sont les femmes. “D’une certaine manière, je me projette dans ces portraits et ils deviennent presque des autoportraits. Je ne recherche pas des canons de beauté : c’est l’histoire derrière la femme qui m’intéresse”, explique-t-il. Riche et repu, il ne ferait que ça. “J’adore les portraits. Et les nus. J’aime peindre des nus le dimanche. C’est le jour que je me réserve pour ce type de peintures”, confesse-t-il, ne cachant pas qu’une journée sans toucher crayons ou pinceaux est pour lui chose impensable. “Ca se voit direct. Et puis je me sens mal si je ne peins pas pendant 24 heures…”
De Berlin, il dégage des souvenirs divers qui l’enthousiasment encore malgré le temps passé. Il y a eu dans les années 1980 cette exposition “Chez Marcel”, un bordel berlinois. “Qu’est-ce que c’était drôle”, rigole-t-il encore. “Je n’ai rien vendu, mais cette expo insolite devait surtout m’aider à me faire connaître.” Il n’a pas non plus oublié les virées à l’Est à l’époque du mur : “On devait payer un petit quelque chose en tant qu’étrangers, mais le passage était facile pour nous. Il n’y avait quasiment pas de voitures et tout paraissait frais par rapport à l’Ouest, alors beaucoup plus décadent.”… et les heures passées chez le marchand de légumes
Nicolas Donner, vivreaberlin.com
Aujourd’hui, Xavier Delerue sort de moins en moins. Il descend parfois au coin de la rue acheter des fruits et légumes pour ses natures mortes, ne manquant pas de susciter la surprise du marchand. “Il me voit passer une heure à regarder ses pommes pour en trouver une qui m’inspire. Il a seulement compris ma démarche le jour où je lui ai fait cadeau d’un de mes tableaux”. Et puis il y a bien sûr la Gemäldegalerie où il se rend en tout cas une fois par mois. “Ils ont des peintures incroyables, mais les salles sont souvent vides. Je ne comprends pas.” Un étonnement sincère qui ne rend que plus attachant et singulier ce peintre classique français poursuivant une longue tradition picturale en plein cœur de la modernité berlinoise…